- Erdmagnetismus: Struktur und Entstehung
- Erdmagnetismus: Struktur und EntstehungWie andere Himmelskörper besitzt auch die Erde ein Magnetfeld. Schon im Altertum entstanden erste Vorstellungen über magnetische Erscheinungen und Eigenschaften. Die Bezeichnung Magnetismus geht auf die antike Stadt Magnesia am Sipylos in Lydien (das heutige türkische Manisa) zurück, in deren Nähe »Magnetsteine«, das heißt Magnetitminerale (Fe3O4), gefunden wurden, von deren Eisengehalt magnetische Wirkungen ausgehen.Das erdmagnetische Feld unterliegt sowohl kurzfristigen als auch langfristigen Veränderungen. Die langfristigen Veränderungen werden auch als Säkularvariationen bezeichnet. Die jeweilige Richtung des Magnetfeldes und deren Veränderungen sind in vielen Gesteinen, besonders in Basalten, konserviert. Solche Gesteine geben uns daher Aufschluss über Kontinentalverschiebungen, Veränderungen von Meeresgebieten und andere für die Entwicklung des Lebens wichtige Umgestaltungen der Erdoberfläche. Vielleicht schützte das erdmagnetische Feld die Lebewesen gegen kosmische Korpuskularstrahlung. Sogar ein direkter Zusammenhang zwischen dem Leben und den Veränderungen des Magnetfelds bei Polumkehr wurde vermutet, lässt sich aber nicht beweisen. Erwiesen ist dagegen ein anderer Einfluss des Erdmagnetismus: Durch eingelagerte winzige Magnetitkristalle können sich die unterschiedlichsten Organismen, von Bakterien bis zu Säugetieren, am Magnetfeld der Erde orientieren und in Verbindung mit andern Sinneswahrnehmungen bestimmte tages- oder jahreszeitliche Wanderungen oder auch Richtungsbestimmungen durchführen wie zum Beispiel Bienen, Brieftauben, Zugvögel und Fische.Rotierende MagneteIn manchen Physikbüchern wird folgendes Problem behandelt: Rotiert ein ideales, axialsymmetrisches Magnetfeld eines Stabmagneten mit, wenn man den Magneten um seine Längsachse rotieren lässt, oder bleibt das Feld in Ruhe? Die Antwort ist eindeutig: Wenn der Mechanismus, der das Feld erzeugt, rotiert, muss auch das erzeugte Feld mitrotieren. Die meisten Himmelskörper, vor allem die Sterne, haben Magnetfelder. Der »Dynamo«, der sie erzeugt, befindet sich im Innern der Himmelskörper und nimmt an ihrer Rotation teil. Also muss auch das erzeugte Feld, das sich durch magnetische Kraftlinien beschreiben lässt, mitrotieren. Auch der Erdmagnetiker geht davon aus, dass die Feldlinien relativ zum Erdkörper ruhen. Genauer müsste man sagen: relativ zum äußeren Erdkern; der aber nimmt im Mittel voll an der Erdrotation teil.Struktur des ErdmagnetfeldsBeim erdmagnetischen Feld unterscheidet man ein Hauptfeld und ein schnell veränderliches Variationsfeld. Das Hauptfeld hat seinen Sitz im Erdinnern; es unterliegt nur den langsamen Veränderungen der Säkularvariation. Es setzt sich formal aus einem im Erdmittelpunkt zentrierten Dipolfeld, dem quasihomogenen oder regulären Feld, und einem irregulären Feldanteil (Nichtdipolfeld oder Restfeld) zusammen, das mit zunehmender Entfernung von der Erdoberfläche rascher abklingt als das Dipolfeld. Das irreguläre Feld hat am erdmagnetischen Feld einen Anteil von 10 bis 30 Prozent, kann also nicht vernachlässigt werden. Diese Gliederung des Hauptfelds gilt nicht für die Feldentstehung, die als ein einheitlicher Dynamoprozess zu sehen ist; er unterliegt statistischen Schwankungen der antreibenden Konvektion und zwar bezogen auf ihre räumliche Konfiguration und den zeitlichen Ablauf.Das Hauptfeld wird von einem sich rasch ändernden Variationsfeld überlagert. Erzeugt wird dieses in den elektrisch leitfähigen Schichten der Ionosphäre sowie durch elektrische Ströme, die beim Einfall der Plasmaströme des Sonnenwinds auf das Erdmagnetfeld entstehen, wobei es zu Ladungstrennungen kommt; es soll hier nicht behandelt werden.Die Pole des Hauptfelds liegen dort, wo die magnetischen Kraftlinien auf der Erdoberfläche senkrecht stehen. Ihre geographischen Koordinaten (magnetischer Nordpol bei 76º nördlicher Breite, 103º westlicher Länge und magnetischer Südpol bei 70º südlicher Breite, 142º östlicher Länge) zeigen, dass ihre Verbindungslinie nicht durch den Erdmittelpunkt geht; dies wird vom irregulären Feldanteil bewirkt. Wegen der Säkularvariation verändert sich die Lage der Pole mit der Zeit; die obigen Angaben gelten für 1980. Im Zeitmittel über mehrere 1000 Jahre fallen sie jedoch mit den geographischen Polen zusammen.Das Dipolfeld oder reguläre Feld wird festgelegt durch die geomagnetischen Pole B (borealer Pol) und A (australer Pol) mit den geographischen Koordinaten 79º nördlicher Breite, 71º westlicher Länge beziehungsweise 79º südlicher Breite, 109º östlicher Länge. Ihre Verbindungslinie, die Dipolachse, ist gegenwärtig um 11º gegen die Rotationsachse der Erde geneigt. Die Stärke des Dipolmoments beträgt zur Zeit rund 8 · 1022 A·m2.Aus interplanetarer Sicht weicht das Erdmagnetfeld sehr stark von einem Dipolfeld ab. Durch den Sonnenwind, ein Plasma aus Protonen und Elektronen mit je etwa 5 Teilchen pro Kubikzentimeter, wird das Feld in größerem Erdabstand erheblich deformiert, nämlich auf der Sonnenseite zusammengedrückt und auf der abgewandten Seite zum magnetischen Schweif auseinander gezogen. Das von der Sonne kommende Plasma fällt mit der hohen Geschwindigkeit von etwa 500 km/s gegen das Erdmagnetfeld ein und wird hier unter Formung einer Stoßfront abrupt gebremst. Dahinter, in der Übergangszone, ist die Bewegung der Plasmateilchen ungeordnet. Die Grenzschicht zwischen Übergangszone und Erdmagnetfeld heißt Magnetopause; sie ist etwa 100 Kilometer dick und schließt den Bereich des erdmagnetischen Felds, die Magnetosphäre, gegen den Weltraum ab. Das Erdmagnetfeld fängt in einer Zone bis etwa 10 Erdradien Protonen und Elektronen ein, die längs der Kraftlinien hin- und herspulen und den Van Allen-Strahlungsgürtel bilden.Entstehung des erdmagnetischen FeldsWie das erdmagnetische Feld entsteht, gehört zu den schwierigsten Fragen der Geophysik. Es wird im Wesentlichen nicht durch Magnetisierung der Krustengesteine, sondern von elektrischen Strömen im äußeren, flüssigen Eisenkern der Erde erzeugt, also in Tiefen zwischen 2900 und 5200 Kilometer. Wegen der Homogenität der leitfähigen Materie — ihre Leitfähigkeit beträgt etwa 106 A/(V·m) — hat man es mit einem »homogenen Dynamo« zu tun, dessen Wirkungsweise bisher noch nicht befriedigend zu erklären ist. Denn es ist so, als ob man eine Dynamomaschine einschmelzen und erwarten würde, dass die Schmelze als Dynamo noch funktioniert. Der Dynamo soll ein schwaches Anfangsfeld verstärken und muss außerdem folgende Bedingungen erfüllen: 1. Feldstärke und Rotationsgeschwindigkeit eines Himmelskörpers sind korreliert. 2. Das Feld hat deutlichen Dipolcharakter. 3. Die Dipolachse fällt im zeitlichen Mittel mit der Rotationsachse zusammen. 4. Der Dynamo muss zeitliche Intensitäts- und Richtungsschwankungen des Felds zulassen. 5. Die Säkularvariation muss erklärt werden. 6. In statistischen Zeitintervallen müssen Feldumpolungen möglich sein.Eine befriedigende Aufklärung der nicht nur in der Erde, sondern auch in den meisten Himmelskörpern wie Sonne und Sterne ablaufenden Dynamoprozesse ist nur mit einer mathematisch anspruchsvollen Behandlung möglich. Daran wird noch gearbeitet. Der Versuch einer anschaulichen Erklärung hat zu einer Reihe von Modellen geführt, die hier nicht wiedergegeben werden können. Es ist für das menschliche Denken typisch, dass wir zur Erklärung physikalischer Prozesse linear von Ursache zu Wirkung, von dieser wieder als Ursache zu einer weiteren Wirkung fortschreiten müssen, während die Natur das komplizierteste Zusammenspiel vieler Faktoren mühelos vollbringt. Magnetfelder sind im Kosmos eine derart häufige und grundlegende Erscheinung, dass es schwerfällt, sich deren Ursachen als Ergebnisse von raffiniert erdachten, eher gezwungen anmutenden Dynamomodellen vorzustellen. Man erwartet eigentlich, dass hier ein grundsätzliches physikalisches Prinzip am Werk ist.Die Magnetisierung von Gesteinen ist vor allem an Eisenoxidminerale wie Magnetit, Hämatit und Ilmenit gebunden. Erst bei der Abkühlung und Erstarrung unterhalb einer bestimmten Temperatur, der Curie-Temperatur (materialabhängig, in diesem Fall etwa 50 ºC), werden die Minerale heißer, fließfähiger Gesteins-Laven dauerhaft magnetisiert, das heißt in Richtung der magnetischen Feldlinien ausgerichtet. Diese gewissermaßen »eingefrorene« Magnetisierung nennt man thermoremanente Magnetisierung oder Thermoremanenz. Ähnliche Erscheinungen treten auch bei der Bildung mancher Sedimentgesteine auf, wenn im Meer absinkende Minerale wie kleine Kompasse magnetisch eingeregelt und bei der Diagenese fixiert werden (Sedimentationsremanenz). Dieser Paläo- oder fossile Magnetismus ermöglicht Aussagen über die Entwicklung des erdmagnetischen Felds, seiner Intensität und seiner Richtung. Er ist für mindestens 3,5 Milliarden Jahre belegt.Über Richtungsänderungen, die im Zusammenhang der Plattentektonik vorkommen, gehen wir hier hinweg und wollen uns kurz die Paläointensitäten ansehen, das heißt den Dipolanteil des erdmagnetischen Felds. Interessant ist, dass sich die Stärke des Dipolmoments in einer bis 2600 Millionen Jahre zurückreichenden Zeit immer um den Wert 8 · 1022 A·m2 bewegte, jedoch in den letzten 900 Millionen Jahren kräftig abfiel, und zwar auf weniger als 1 · 1022 A·m2 vor 450 Millionen Jahren sowie auf 3 · 1022 A·m2 vor 200 Millionen Jahren. Dies war die Zeit des Auseinanderbrechens Pangäas.Prof. Dr. Klaus StrobachWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Rotation der Erde und ZeitBachmann, Emil: Wer hat Himmel und Erde gemessen? Von Erdmessungen, Landkarten, Polschwankungen, Schollenbewegungen, Forschungsreisen und Satelliten. Thun u. a. 21968.Bauer, Manfred: Vermessung und Ortung mit Satelliten. Heidelberg 41997.Bialas, Volker: Erdgestalt, Kosmologie und Weltanschauung. Die Geschichte der Geodäsie als Teil der Kulturgeschichte der Menschheit. Stuttgart 1982.Seeber, Günter: Satellitengeodäsie. Berlin u. a. 1989.Sobel, Dava /Andrewes, William J. H.: Längengrad. Die illustrierte Ausgabe. Die wahre Geschichte eines einsamen Genies, welches das größte wissenschaftliche Problem seiner Zeit löste. Aus dem Amerikanischen. Berlin 1999.Strobel, Jürgen: Global Positioning System. GPS. Technik und Anwendung der Satellitennavigation. Poing 1995.
Universal-Lexikon. 2012.